Japanisch für Anfänger oder was von anonymen Blogkommentaren zu halten ist.

Ein namenloser Wortkünstler hat kürzlich auf einem dieser jetzt so modernen, so genannt medienkritischen Blogs behauptet, ich, Oliver Reichenstein, würde nichts leisten, ich würde überschätzt, sei ein Plagöri. Und Recht hatte er.

Auf dem Weg zu meiner Freitagabend-Feierabendbar grübelte ich an einem Titel für diesen Wortkünstler herum. Wie würdigt man erhabene Zeitgenossen, die sich im Web anonym zusammentun und den Namen anderer Leute in den Schmutz ziehen? Blogheckenschützen? Pfifflibuebe? Schmutzgugge?

Ich brauchte etwas Griffiges, Lüpfiges wie der böse Moritz damals, als er die Schweizer Blogger als «einen einzigen Schrebergärtliguguus» bezeichnete und dadurch die wildesten Wutwellen auslöste. Ich suchte den sicheren Griff für einen Hosenlupf: Bisiriiber? Gloggezüügler? Fotzelchäib? Der treffende Schimpf verlangt einen Könner: Wenn der Grossvater einst polterte: «Das isch e Halungg!», dann war der betreffende Autohändler, schuldig oder unschuldig, schon so gut wie verhaftet, abgeführt, verurteilt und eingesperrt. «E rote Sauhund!» aus dem Mund des kapitalistischen Kampfonkels und der linke Seklehrer war für immer k.o. geschlagen. Löli, blödi Sieche, Glünggi oder Sürmel? Wie nennt man solche Leute?

Beim Bierchen in der Hintergassenbar habe ich meinem Feierabendbierfreund Tadashi – übersetzt «der Anständige» – die Problematik auseinandergelegt. Was denn ein Schrebergarten sei, wollte Tadashi zunächst wissen. Auf meine etwas ungeschickte Erklärung hin meinte er: «Freunde des Gartens! Was ist daran falsch? Wir sollten so was starten hier. Harajuku Schureberugaruten. Auf einem Flachdach, weisst Du, Bier trinken, Würste braten am Samstagnachmittag mit Blick über das strahlende Tokio. Wir tunken die Köpfe in den Regenwasserzuber zur Kühlung. Sugooi….»

  • Nix Sugoi. Schrebergärtner sind nicht Freunde des Gartens. Die verfolgen einander mit kaltem Hass. Schleichen bei Nacht und Nebel auf Zehenspitzen zum Nachbarn, graben einander Salzsäcke neben die Erbsen und pissen heimlich über die Erdbeeren. Deshalb sagt Moritz, die Blogger seien Schrebergärtner. Gibt es denn in den japanischen Blogs auch so eine Schrebergartenmentalität?
  • Nein, die meisten Blogs sind Gomiblogs, also Abfallblogs. Spezialisierte Onlinespammer müllen das japanische Web mit Scheininformation zu, die auf Unternehmensseiten linkt. Sie nennen das SEO, Search Engine Optimisation. Eine Riesenscharlatanerie. Übrigens, jetzt fällt mir das Wort ein, nach dem Du gesucht hast: Gaichuu.
  • Ah ja?
  • Die Käfer des Schadens. Meinem Vater in Nagoya haben die den ganzen Pfirsichbaumgarten weggefressen.

Tadashi wollte wissen, wie man Käfer des Schadens auf Deutsch sagt.

  • Hm, das passt nicht ganz genau. Ungeziefer sind bloss die, die den Blogger selber angreifen und zersetzen wollen. Die, die den Blog anderer nutzen, um Dritte anzupöbeln, sind nicht bloss Ungeziefer, das ist…
  • Booto! Das Wort brauchen nur Schriftsteller. Es setzt sich zusammen aus den Zeichen für sinnlos und Aufruhr. Habt ihr ein Wort dafür?
  • Pack. Wir sagen Pack. Grossväter brauchen das Wort ganz gern.
  • Pakku?
  • Genau. Einfach ohne U, sagte ich.
  • Auf Japanisch heisst es: Mit Booto trinkt man keinen Sake. Aber das bedeutet dann wohl, dass man nicht auf anonyme Kommentare reagieren soll, nicht wahr? Die Frage ist: Warum soll man sie überhaupt erst zulassen? Wenn Du nicht zu Deinen Worten stehen kannst, dann stimmt etwas mit Dir oder Deinen Worten nicht, oder?
  • Ohne anonyme Kommentare würden aber die meisten Blogs absterben.
  • Oder würden sie aufblühen?
  • Ah, dieser fiese Winter! Ich zähle ja die Tage bis zur Kirschblütenzeit, weisst Du. Siebenundvierzig. Warum wolltest Du das eigentlich alles wissen? fragte Tadashi.
  • Hast Du denn noch Zeit für einen letzten kleinen Sake?