Der folgende Text über die Grundregeln des Bogenschiessens stammt aus dem sogenannten Shaho-Kun. Er lässt sich leicht auf die Kunst der Kommunikation übertragen.

Das Shaho-Kun von Meister Yoshimi Junsei ist einer der Kerntexte des japanischen Bogenschiessens (Kyudo). Ich werde in den folgenden zwei Minuten den halsbrecherischen Versuch unternehmen, die Parallelen zwischen Bogenschiessen und Kommunikation herauszustellen. Das Shaho-Kun beginnt wie folgt:

Die wichtigste Regel beim Erlernen des Bogenschiessens ist, nicht nur mit dem Bogen, sondern mit dem Körper [wörtlich: «Knochen»] zu schiessen.

Nachrichten haben Körper (Ton, Körpersprache, Typographie) und Geist (Bedeutung). Kontrolle über Körper und Geist einer Nachricht erreichen wir, wenn wir beim denken, schreiben, sprechen unseren eigenen Körper und Geist als ganzen einsetzen.

Den Geist [«kokoro», eigentlich: «Herz»] in der Mitte des Körpers sammelnd, drückt man mit zwei Dritteln der Kraft mit der linken Hand die Sehne und zieht mit einem Drittel der Kraft mit der rechten Hand den Bogen.

Der Anfänger investiert seine ganze Energie in die Schlagkraft seiner Formulierung. Der Meister der Kommunikation hingegen stellt zuerst sicher, dass er solide steht und dass die Richtung des Pfeils stimmt. Er verwendet mehr Kraft und Geschick auf die Richtigkeit seines Arguments als auf die Schlagkraft.

Wenn man diese Grundprinzipien beachtet, entsteht eine in sich stimmige Einheit.

Die Kommunikation stimmt, wenn man mehr Energie in die Richtigkeit als in die Wortgewalt investiert.

Als würde man den Körper links und rechts in zwei Hälften teilen, öffnet man jetzt von der Mitte aus die Brust, bis sich der Pfeil löst.

Der Pfeil wird nicht dadurch abgeschossen, dass der Kopf der Hand befiehlt: «lass los!» Pfeil, Bogen, Körper und Geist sind eine Einheit; das Abschiessen des Pfeils wird als Öffnung des Körpers aus der Mitte der Mitte [«Brust»] erfahren. Der Pfeil (die Nachricht) wird nicht willentlich losgelassen, er «löst sich.» In einem angenehmen Gespräch versuchen wir nicht Wörter zu beherrschen; vielmehr geht es darum die Sprache aus uns heraus wirken zu lassen. Das geht, wie oben erwähnt nur, wenn wir mit Leib und Seele sprechen, und unsere Kraft darauf verwenden, sicher zu stehen. Wer sicher steht und sein Argument beherrscht, wird verstanden. Das erfordert Kraft. Kommunikation ist Knochenarbeit.

Wenn Eisen und Stein zusammentreffen, sprühen plötzlich Funken, heisst es.

Dieser Satz beschreibt den Augenblick, wo sich der Pfeil löst. Die Schärfe und Klarheit in der Lösung des Pfeils setzt eine höhere Form von Energie frei. Gezielte Kommunikation schickt nicht Nachrichten in die Welt um sie zu verändern, sie verändert zu aller erst das Bewusstsein dessen, der kommuniziert.

Der Pfeil des Kyudo Meister trifft das Ziel nicht bloss, er durchbohrt es auch nicht, er existiert im Ziel. Der Kyudo Meister weiss bereits vor dem Lösen des Pfeils, dass der Pfeil treffen wird.

Ebenso leuchtet der goldene Körper auf, hell erstrahlend, und der Halbmond steht im Westen.

Sofern man Google-Suchergebnissen glauben kann, verwendet der Satz eine Vielzahl Buddhistischer Anspielungen, die ich als Laie nicht vollständig erfassen und (schon gar nicht) redlich erklären kann.

So viel ich unter Einsatz meiner Designerfahrung, meiner Japanischkenntnisse, meinem Literatur-, Geschichts- und Philosophiediplom verstehe, ist der leuchtende goldene Körper so schwer verständlich, weil er eine doppelte Metapher verkörpert:

  1. Das Bild der sprühenden Funken ist eine Metapher für die Lösung des Pfeils.
  2. Das Bild des Goldenen Körper im Osten und des (silbernen) Halbmonds im Westen ist eine Metapher für den Funken, also die Wandlung des Schützen im Augenblick wo der Pfeil seine Brust verlässt.

Doppelte Metaphern sind kaum verständlich. Kommunikationsexperten, die auf Klarheit zielen, meiden sie deshalb auch wie den Teufel. Wahrscheinlich ist es aber nicht die Absicht dieses Satzes, dass man ihn sofort erfasst.